Friday, 26 October 2018

Hydra: Wilhelm Müller - 1821, Lieder der Griechen (Songs of the Greeks; Les Chants des Grecs)



With thanks to Brian Sidaway

Four poems in German by "Griechen-Müller" ("Wilhelm Müller of the Greeks")

Hydra

Hoher, steiler, fester Felsen, darauf Hellas' Freiheit ruht!
Seh ich deine Wolkengipfel, steigt mein Herz und wallt mein Blut.
Hoher, steiler, fester Felsen, den des Meeres Wog umbraust,
Über dessen kahlem Scheitel wild die Donnerwolke saust!
Aber in das Ungewitter streckst du kühn dein Haupt empor,
Und es wankt nicht von dem Schlage, dessen Schall betäubt das Ohr;
Und aus seinen tiefsten Höhlen schleudert das erboste Meer
Wogenberg' an deine Füße, doch sie stehen stark und hehr,
Schwanken nicht, so viel die Tanne schwankt im linden Abendhauch,
Und die Wogenungeheuer brechen sich zu Schaum und Rauch.
Hoher, steiler, fester Felsen, darauf Hellas' Freiheit ruht!
Hydra, hör ich deinen Namen, steigt mein Herz und wallt mein Blut;
Und mit deiner Segel Fluge schwebt ins weite Meer mein Geist,
Wo der Wind, wo jede Welle jubelnd deine Siege preist.
Ist Athen in Schutt zerfallen, liegt in Staub Amphions Stadt,
Weiß kein Enkel mehr zu sagen, wo das Haus gestanden hat,
Dessen Ziegel nach dem feigen Sohne warf der Mutter Hand,
Als er ohne Kranz und Wunde vor der Tür der Heldin stand:
Laßt die Türm und Mauern stürzen; was ihr baut, muß untergehn:
Ewig wird der Freiheit Felsen in dem freien Meere stehn!


An English translation of Hydra by Heiner Georgsdorf follows (with thanks). The actress Eva Mattes (cf films by Fassbinder and Herzog) gave an impressive and dramatic rendition of the poem (in German) at Heiner's wife's birthday party on Hydra recently, according to Brian. I am grateful for permission to reproduce the powerful translation.


Wilhelm Müller (1794 – 1827)


HYDRA


High, steep, sturdy rocks, on which Hellas’ freedom rests!
When I see your cloudy peaks, my heart speaks up, my blood begins to seethe.
High, steep, sturdy rocks, round which the ocean’s wave does roar,
With booming thunderclouds caressing its bleak ridge!
But in this tempest, you boldly raise your craggy head,
Nor does a lightning strike, so loud it pains the ear, cause you to finch;
And from its deepest caves, the furious ocean hurls
Surging billows toweringly at your feet, but they stand strong and noble,
They do not quiver, as much as the fir does in a mild evening breeze,
And crested monsters break to foam and froth.


High, steep, sturdy rocks, on which Hellas’ freedom rests!
Hydra, when I hear your name, my heart speaks up, my blood begins to seethe.
And on your flying sails my spirit floats above the sea,
Where every breeze and every wave praise jubilantly your victories.
Is Athens ruined, has Amphion’s town been razed,
Is there no grand child who knows where once stood a house,
From which a mother’s hand threw roof tiles at her cowardly son,
When he appeared, unhurt and uncrowned, at the heroine’s door:
Let walls and towers all come down; what you have built, it must fall:
Forever will this rock of freedom stand in this free sea!


From the cycle Lieder der Griechen (Songs of the Greeks), 1821


Die Suliotin

Ich hab die Spindel lang gedreht, hab manche Winternacht
Gewebt am Stuhl, und froh dabei ans neue Kleid gedacht.
Ich hab die Herden auf den Höhn gehütet manchen Tag,
Und bin geklettert ohne Not den jungen Ziegen nach;
Ich habe meinen Kleinen auch manch Kinderspiel gezeigt,
Und Sprung und Lauf und Schuß und Wurf ward mir mit ihnen leicht.
Jetzt schleif ich einen Stahl für mich und drehe Sennen mir
Mein Herr, mein Hort, mein Herz, o nimm mich in den Kampf mit dir!
Ich kenne jeden Felsenpfad auf Sulis steilen Höhn,
Und wo die flinke Gemse zagt, da kann ich sicher stehn.
Hast du noch nicht gesehn, was ich vermag im Sprung und Lauf,
Wohlan, so gib ein Probestück mir mit den Männern auf!
Und eine Klippe zeige mir auf Suli weit und breit,
Die ich dir nicht erklettern kann zu aller Frauen Neid.
Den Vogel treff ich in der Luft, wo's gilt nur einen Scherz –
Meinst du, verfehlen könnt ich ja des großen Feindes Herz?
Mein Herr, mein Hort, mein Herz, o nimm mich in den Kampf mit dir!
Mein Töchterchen kann spinnen schon. – Was sitz ich länger hier?
Mein jüngster Knabe steht allein. – Was ist mein Arm ihm wert?
Mein ältester geht auf die Jagd. – Was sorg ich für den Herd?
Mit dir, mit dir will ich ins Feld! Da hab ich meinen Stand,
Bei dir, bei dir, da, Brust an Brust, da, Liebster, Hand in Hand!
Und sollt ich fallen, sieh nicht hin, und denke nicht an mich,
Denk an den Feind, denk an den Kampf, und denke, Herz, an dich,
An unsre Kinder, an dein Haus, an Sulis heilge Höhn,
An unsres Gottes Tempel, die auf ihren Gipfeln stehn,
An deiner Heldenväter Staub, und dann an eine Gruft
Für mich, für dich, in freier Erd und unter freier Luft!


Byron

    My task is done, my song has ceased, my theme
    Has died into an echo. 
Childe Harold

»Siebenunddreißig Trauerschüsse? Und wen haben sie gemeint?
Sind es siebenunddreißig Siege, die er abgekämpft dem Feind?
Sind es siebenunddreißig Wunden, die der Held trägt auf der Brust?
Sagt, wer ist der edle Tote, der des Lebens bunte Lust
Auf den Märkten und den Gassen überhüllt mit schwarzem Flor?
Sagt, wer ist der edle Tote, den mein Vaterland verlor?«

Keine Siege, keine Wunden meint des Donners dumpfer Hall,
Der von Missolunghis Mauern brüllend wogt durch Berg und Tal,
Und als grause Weckerstimme rüttelt auf das starre Herz,
Das der Schlag der Trauerkunde hat betäubt mit Schreck und Schmerz:
Siebenunddreißig Jahre sind es, so die Zahl der Donner meint,
Byron, Byron, deine Jahre, welche Hellas heut beweint!
Sind's die Jahre, die du lebtest? Nein, um diese wein ich nicht:
Ewig leben diese Jahre in des Ruhmes Sonnenlicht,
Auf des Liedes Adlerschwingen, die mit nimmermüdem Schlag
Durch die Bahn der Zeiten rauschen, rauschend große Seelen wach.
Nein, ich wein um andre Jahre, Jahre, die du nicht gelebt,
Um die Jahre, die für Hellas du zu leben hast gestrebt.
Solche Jahre, Monde, Tage kündet mir des Donners Hall,
Welche Lieder, welche Kämpfe, welche Wunden, welchen Fall!
Einen Fall im Siegestaumel auf den Mauern von Byzanz,
Eine Krone dir zu Füßen, auf dem Haupt der Freiheit Kranz!

Edler Kämpfer, hast gekämpfet, eines jeden Kranzes wert,
Hast gekämpfet mit des Geistes doppelschneidig scharfem Schwert,
Mit des Liedes ehrner Zunge, daß von Pol zu Pol es klang,
Mit der Sonne von dem Aufgang kreisend bis zum Niedergang.
Hast gekämpfet mit dem grimmen Tiger der Tyrannenwut,
Hast gekämpft in Lernas Sumpfe mit der ganzen Schlangenbrut,
Die in schwarzem Moder nistet und dem Licht ist also feind,
Daß sie Gift und Galle sprudelt, wenn ein Strahl sie je bescheint.
Hast gekämpfet für die Freiheit, für die Freiheit einer Welt,
Und für Hellas' junge Freiheit, wie ein todesfroher Held.
Sahst in ahnenden Gesichten sie auf unsren Bergen stehn,
Als im Tal noch ihre Kinder mußten an dem Joche gehn,
Hörtest schon den Lorbeer rauschen von der nahen Siegeslust,
Fühltest schon in Kampfeswonne schwellen deine große Brust!

Und als nun die Zeit erschienen, die prophetisch du geschaut,
Bist du nicht vor ihr erschrocken; wie der Bräutigam zur Braut,
Flogest du in Hellas' Arme, und sie öffnete sie weit:
»Ist Tyrtäos auferstanden? Ist verwunden nun mein Leid?
Ob die Könige der Erde grollend auf mich niedersehn,
Ihre Schranzen meiner spotten, ihre Priester mich verschmähn,
Eines Sängers Kriegesflagge seh ich fliegen durch das Meer;
Tanzende Delphine kreisen um des Schiffes Seiten her,
Stolz erheben sich der Wogen weiße Häupter vor dem Kiel,
Und an seinen Mast gelehnet, greift er in sein Saitenspiel.
›Freiheit!‹ singt er mir entgegen, ›Freiheit!‹ tönt es ihm zurück,
Freiheit brennt in seinen Wangen, Freiheit blitzt aus seinem Blick.
Sei willkommen, Held der Leier! Sei willkommen, Lanzenheld!
Auf, Tyrtäos, auf, und führe meine Söhne mir ins Feld!«

Also stieg er aus dem Schiffe, warf sich nieder auf das Land,
Und die Lippen drückt' er schweigend in des Ufers weichen Sand;
Schweigend ging er durch die Scharen, gleich als ging' er ganz allein,
Welche jauchzend ihm entgegen wogten bis ins Meer hinein.
Ach, es hat ihn wohl umschauert, als er küßte diesen Strand,
Eines Todesengels Flügel, der auf unsren Wällen stand!
Und der Held hatt' nicht gezittert, als er diesen Boten sah;
Schärfer faßt' er ihn ins Auge: »Meinst du mich, so bin ich da!
Eine Schlacht nur laß mich kämpfen, eine siegesfrohe Schlacht,
Für die Freiheit der Hellenen, und in deine lange Nacht
Folg ich deinem ersten Winke ohne Sträuben, bleicher Freund!
Habe längst der Erde Schauspiel durchgelacht und durchgeweint.«

Arger Tod, du feiger Würger, hast die Bitt ihm nicht gewährt!
Hast ihn hinterrücks beschlichen, als er wetzt' an seinem Schwert,
Hast mit seuchenschwangerm Odem um das Haupt ihn angehaucht,
Und des Busens Lebensflammen aus dem Nacken ihm gesaugt.
Und so ist er hingesunken ohne Sturz und ohne Schlag,
Hingewelkt wie eine Eiche, die des Winters Stürme brach,
Und die eine schwüle Stunde mit Gewürmen überstreut,
Und des Waldes stolze Heldin einem Blumentode weiht.
Also ist er hingesunken in des Lebens vollem Flor,
Aufgeschürzt zu neuem Laufe harrend an der Schranken Tor,
Mit dem Blick die Bahn durchmessend, mit dem Blick am Ziele schon,
Das ihm heiß entgegenwinkte mit dem grünen Siegeslohn.

Ach, er hat ihn nicht errungen! Legt ihn auf sein bleiches Haupt!
Tod, was ist dir nun gelungen? Hast den Kranz ihm nicht geraubt!
Hast ihn früher ihm gegeben, als er selbst ihn hätt erfaßt!
Und der Lorbeer glänzet grüner, weil sein Antlitz ist erblaßt. »Siebenunddreißig Trauerschüsse! Donnert, donnert durch die Welt!
Und ihr hohen Meereswogen, tragt durch euer ödes Feld
Unsrer Donner Widerhalle fort nach seinem Vaterland,
Daß den Toten die beweinen, die den Lebenden verbannt.
Was Britannia verschuldet hat an uns mit Rat und Tat,
Dieser ist's, der uns die Schulden seines Volks bezahlet hat!
Über seiner Bahre reichen wir dem Briten unsre Hand:
›Freies Volk, schlag ein und werde Freund und Hort von uns genannt!‹«


Griechenlands Hoffnung

Brüder, schaut nicht in die Ferne nach der Fremden Schutz hinaus,
Schaut, wenn ihr wollt sicher schauen, nur in euer Herz und Haus.
Findet ihr für eure Freiheit da nicht heilige Gewähr,
Nun und nimmer, Brüder, nimmer kömmt sie euch von außen her.
Selber hast du aufgeladen dir der Knechtschaft schweres Joch,
Selber hast du es getragen, und du trügst es heute noch,
Hättest du darauf gewartet, hochgelobtes Griechenland,
Daß es dir vom Nacken sollte heben eine fremde Hand.
Selber mußt du für dich kämpfen, wie du selber dich befreit,
Dein die Schuld und dein die Buße, dein die Palme nach dem Streit.
Viele werden dich beklagen, viele dir Gebete weihn,
Viele sich für dich verwenden, viele deine Rater sein
Hoffst du mehr? Bau auf die Hoffnung deiner Freiheit Feste nicht,
Daß der Grund, auf dem sie ruhet, nicht den Bau zu Trümmern bricht.
Deiner alten Freiheit Ehre ist der neuen Welt gerecht,
Denn der Freie schläft im Grabe so geduldig, wie der Knecht.
Lege reuig deine Waffen nieder vor des Türken Thron,
Beuge friedlich deinen Nacken zu dem alten Sklavenfron:
Dann, dann magst du sicher bauen auf die Macht der Christenheit,
Dann, dann magst du sicher hoffen, daß der Türke dir verzeiht.
Ruh und Friede will Europa. – Warum hast du sie gestört?
Warum mit dem Wahn der Freiheit eigenmächtig dich betört?
Hoff auf keines Herren Hülfe gegen eines Herren Fron,
Auch des Türkenkaisers Polster nennt Europa einen Thron.
Hellas, wohin schaut dein Auge? – Sohn, ich schau empor zu Gott –
Gott, mein Trost in Schuld und Buße, Gott, mein Hort in Kampf und Tod.


See also: Les Chants des Grecs


Neugriechische Volkslieder (Fauriel) - Wilhelm Müller translations


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Heiner is a 'devoted henchman of documenta' in Kassel, Germany. Their last project was ‘documenta 14’ in Athens.








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